Das "andere" Grab von Sen-nefer (KV42)
Immer wieder wird im Zusammenhang mit Sen-nefer das Grab KV42 im Tal der Könige erwähnt. Die Geschichte des Grabes ist etwas mysteriös und zum Teil liegt sie bis heute noch im Dunklen.
[Abb. S76 & S77] Bilder der Grabkammer so wie sie Howard Carter 1900 vorfand
Das KV42 liegt in der Talsohle, in einem Seitenarm, am Ende des West Valley. Das berühmteste Grab in diesem Seitenarm ist das KV34 von Thutmosis III. In diesem Bereich liegen in Summe 11 Gräber bzw. Schächte. Wobei die genaue Lage eines Grabes (KV33) und eines Schachtes (F) nicht mehr bekannt sind. Zu diesen 11 Gräbern bzw. Schächten gehört auch das erst kürzlich durch das University of Basel Kings' Valley Project (BKVP) entdeckte Grab KV64.
KV42 wurde zwischen 1898 und 1899 von Victor Loret entdeckt und im Dezember 1900 von Howard Carter als Chefinspektor für Altertümer für Oberägypten erstmalig untersucht. Das Grab wurde aber offensichtlich schon zu antiker Zeit ausgeraubt sodass Carter nur Fragmente der Grabausstattung vorgefunden hat. 1999 wurde das Grab im Zuge des Theban Mapping Project durch den Archäologen El-Bialy vom Supreme Council of Antiquities neu vermessen und fotografiert.
[Abb. S78] Goldrosette aus dem Grab KV42 - Metropolitan Museum of Art
Die dabei gefundenen Grabbeigaben deuten auf Sen-nefer, seiner Frau Sent-nai und "des König Schmuckstück" Baket-re. Einige Experten sehen in dem Namen Baket-re den Geburtsnamen von Hatschepsut-Meritre, möglicherweise sind die Funde daher ein Geschenk der Königin an Sen-nefer oder Sent-nai. Aber ganz scheint dieses Kapitel noch nicht geklärt zu sein.
Gefunden wurden unter anderem beschriftete Kanopenkrüge sowie Teile eines Opfertischs möglicherweise von Sen-nefer. In der Nebenkammer wurde die Überreste eines hölzernen Schlitten und von Särgen gefunden, 20 - 30 ganz zerbrochener Tonkrüge grober Machart und ein wenig Blattgold. Das wohl schönste Stück eine Goldrosette fand schon bei den Ausgrabungen von Macarios/Andraos im Jahr 1900 im Eingangskorridor (siehe Abbildung S78). Möglicherweise wurde es von den Grabräubern vergessen oder aber aus dem benachbarten KV34 bei einem Regen herübergeschwemmt.
[Abb. S79] Skizze des Grabes
Die Architektur des Grabes entspricht so gar nicht die eines Privatgrabes der 18. Dynastie, eher wohl die eines König- bzw. Königinnengrabes. Abgesehen von dem nicht vorhandenen Brunnenschacht der bei Königsgräbern dieser Zeit üblich ist, ähnelt das Grab stark dem des Grabes von Thutmosis III. (KV34). 1921 konnte dann von Carter das Geheimnis über die Bestimmung des Grabes geklärt werden, in dem er die dazugehörigen Grundsteindepots fand. Das Grab war möglicherweise für Hatschepsut-Meritre, der Gemahlin und Hauptfrau von Thutmosis III. bestimmt. Sie ist aber mit größter Wahrscheinlichkeit nie im KV42 begraben worden. Eher deuten Spuren auf ein Begräbnis im KV35, dem Grab von Amenophis II., hin. Begründet wird diese Aussage mit dem im Grab vorgefundenen hölzernen Schlitten und dem nicht fertig gestellten Sarkophag Deckel (siehe Abb. S77 - die Tragvorrichtung am Deckel).
Das Grab selbst ist nur in der Grabkammer mit einem unvollständigen Cheker-Fries (Abb. S80) und einem teilweise vollendende Sternenhimmel dekoriert. Auch das deutet darauf hin, dass Hatschepsut-Meritre hier nicht bestattet wurde. Normalerweise müssten sich, so wie das Fries angeordnet ist sich, noch Teile des Amundat an der Wand befinden. Als Beispiel dafür kann das Grab von Thutmosis II. (KV34) genannt werden.
[Abb. S80] Cheker-Fries aus dem Grab
Interessant ist noch die Frage, für wen wurde das Grab ursprünglich gebaut. Für Sen-nefer und seine Familie sicher nicht. Seit Entdeckung des Grabes durch Victor Loret wurde das Grab fünf verschiedenen Personen zugeordnet. Mangels eines eigenen Grabes bzw. eines eigenen Sarkophages wir das Grab immer wieder mit Thutmosis II. in Verbindung gebracht. Die anderen Personen waren, wie oben zum Teil beschrieben, Thutmosis III., seine Frau Hatschepsut-Meritre, oder aber eines der Kinder der beiden wie z.B. Amenemhat. Inzwischen nimmt man an, dass der Bau dieses Grab von Thutmosis III. für Thutmosis I. begonnen aber dann für Hatschepsut-Meritre umgewidmet wurde. In der 18. Dynastie fand in diesen Grab aber kein royales Begräbnis statt. Sen-nefer und seine Familie sind, wenn überhaupt, ursprünglich an einer anderen Stelle im Tal der Könige begraben worden. Laut N. Reeves möglicherweise im KV26 bzw. im KV37. Darauf deutet auch der Fund einer Vasenattrappe aus dem Jahre 2010 durch University of Basel Kings' Valley Project (BKVP) in dem sich in der Nähe befindlichen Grab KV31 hin.
Noch erwähnenswert ist ein Graffito im Eingang des Grabes, das auf offizielle Aktivitäten zur Zeit des Amun-Hohenpriesters Pianchi (25. Dynastie) hinweist. Laut Karl-Jansen-Winkeln könnte das Grab dabei "offiziell" leer geräumt oder als "Zwischenlager" benutzt worden sein, wie es zum Teil auch mit anderen Gräbern im Tal der Könige passiert ist.
Literatur: Das Tal der Könige - Geheimnisvolles Totenreich der Pharaonen, Nicholas Reeves & Richard H. Wilkinson in: 102-103 (Bechtermünz Verlag 1997); Artikel aus der Herbstausgabe 1999 KMT "Reconsideration of King's Valley Tomb 42," in: 20 - 33, 84 - 85; The last of the experimental royal tombs in the Valley of the Kings: KV42 and KV34, Sjef Willockx 2011 in: 11 - 44; http://www.thebanmappingproject.com/