Sen-nefer und seine Familie
[Abb. S14] Gruppenstatue des Sen-nefer (Ägyptisches Museum Kairo)
Die Familiengeschichte von Sen-nefer ist aus mehreren Gründen für uns heute so interessant. Erstens, haben wir, mehr oder weniger gut belegt, einen Stammbaum über fünf Generationen. Zweitens ist die Familie von Sen-nefer und Hu-may, seinem Onkel, ein Paradefall für die "Vetternwirtschaft" zur Zeit von Thutmosis III. & Amenophis II. Auch nicht zu vergessen ist die beinahe einmalige Möglichkeit anhand von Information aus zwei weiteren Gräbern der Familie um Sen-nefer (Hu-may TT224, Amen-em-ope TT29) die im Grab von Sen-nefer dargestellte Familiengeschichte zu verifizieren.
Die Eltern / der Onkel
Nach neuerster Erkenntnisse durch die Ausgrabungen der Université libre de Bruxelles (ULB) unter Roland Tefnin (†) in den Gräbern TT29 und TT96 in den Jahren 1999 - 2006 sind die Eltern Sen-nefer's Nu und Henut-iry auch Titry genannt. Henut-iry ist die Schwester von Hu-may den Vater von Amen-em-ope. Belegt wird dieses von D. Laboury1 unter anderem durch eine Darstellung im Grab von Hu-may wo Sen-nefer als "Bruder seiner Schwester" bezeichnet wird.
Allein die Geschichte über die Zuordnung der Eltern Sen-nefer's ist eine Bemerkung hier wert. Schon im Jahre 1955 wird von W. Helck2 die Eltern von Sen-nefer mit Nu und Henut-iry angenommen. Diese Vermutung wurde dann aber in späterer Zeit wieder verworfen und bis zur Veröffentlichungen durch den ULB, werden als Eltern Hu-may und Nub von Sen-nefer in den diversen einschlägigen Veröffentlichungen angeführt (z.B. Porter & Moss3). Ein Teil der Verwirrung ist sicherlich durch den Umstand erklärbar, dass für Vater / Onkel (jt [jtj, tf])4, Bruder / Cousin (sn) und Schwester / Cousine (snt) in der altägyptisch Sprache jeweils die gleichen Begriffe verwendet wurden.
Sicher ist auch, dass der bedeutendere Familienzweig der von Hu-may war. Nu, der Vater von Sen-nefer, war "nur" Hohenpriester im Horustempel von Qus, einen Ort ca. 30km nördlich von Theben. Hu-may hingegen war unter anderem als Prinzenerzieher direkt am Hofe des Pharaos tätig und damit bei weiten einflussreicher. Nach D. Laboury ist es möglich, dass die Eltern von Sen-nefer diesen bei Hu-may zur Obhut gaben um Sen-nefer eine bessere und bedeutende Zukunft zu ermöglichen. Wie wir heute wissen, war dieser Schachzug von Erfolg gekrönt. Dazu muss auch gesagt werden, dass zur besagten Zeit die "Vetternwirtschaft" eine beliebte Methode war um Macht zu erhalten und in der Familie zu behalten. Die Besten Chancen hatte man dann, wenn man im Nahfeld, z.B. als Prinzenerziehers, des Pharaos tätig war. Bei Sen-nefer und Amen-em-ope vermutet5 man sogar, dass die beiden mit Amenophis II. als Spielkameraden aufgewachsen sind.
Der Cousin / die Schwester
Da es leider keine Grab oder andere Dokumente zu den Eltern von Sen-nefer gibt, ist das Wissen bezüglich Geschwister sehr dürftig. Namentlich sind auf jeden Fall keine Geschwister bekannt. Nach D. Laboury könnte aber Merit, die bisher "nur" als zweite Ehefrau geführt wurde, eine Schwester von Sen-nefer sein.
Wenn man die oben genannten Ausführungen weiterverfolgt, so wird der bisherige Bruder Amen-em-ope nun zu seinem Cousin. Näheres zum Thema Amen-em-ope finden sie auf einer eigenen Seite in dieser Website. Amen-em-ope selbst hatte noch eine namentlich genannte Schwester mit dem Namen Amen-em-opet. Diese Cousine Sen-nefer's war mit größter Wahrscheinlichkeit die Mutter von Ken-amon6, 7 (TT93), Verwalter des Kriegshafens Perunefer8 und damit ebenfalls ein wichtiger Beamter unter Amenophis II..
Die Ehefrau(en)
Die Neubewertung des Stammbaumes durch das ULB hat auch vor den Ehefrauen von Sen-nefer nicht haltgemacht, aber dazu später mehr. Zuerstwollen wir die vorhanden Fakten betrachten. Aus den Gräbern TTT29, TT96A & B, TT224 sind uns fünf verschiedene Namen (Senetemiah, Senetmy, Senet-nofret, Senet-nai und Merit) für die Ehefrauen von Sen-nefer bekannt. Nach C. H. Roering7 haben die ersten zwei Namen (Senetemiah & Senetmy) nie existiert und sind möglicherweise nur falschen Interpretationen der Hieroglyphen aus den Gräbern. Der Name Senet-nofret bedeutet "die gute Schwester / Freundin und entsprich damit der weiblichen Form von Sen-nefer "der gute Bruder / Freund". Daher wird von vielen Archeologen behauptet das auch Senet-nai & Senet-nofret die selbe Person sind. Auserdem kann allen vier Namen der Titel "königliche Amme" zugewiesen werden. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass Sen-nefer mit vier "königlichen Ammen" (mnct nswt) verheiratet war.
Bleibt noch Merit, die sich in ihren Titel gegenüber Senet-nai unterscheidet, über (siehe auch die Seite mit den Titel von Sen-nefer). Ihre Darstellungen beschränken sich hauptsächlich auf das unterirdische Grab von Sen-nefer (TT96B). Nach D. Laboury deuten alle Hinweise im Grab darauf hin, dass Merit die Schwester Sen-nefers war und nach dem Tod von Senet-nai die Rolle der Ehefrau von Sen-nefer übernommen hat. Solche Konstelationen waren im alten Ägypten übrigens nicht ungewöhnlich. D. Laboury begründet seine Festellung damit, dass im Grab die übliche Bezeichnung "von Herzen" bei den Darstellungen von Merit fehlen.
Senet-nai selbst wurde mit größter Wahrscheinlichkeit nicht im TT96B sondern im KV42, im Tal der Könige begraben. Darauf deutet das beinahe vollständige fehlen von Darstellungen Senet-nai's in Grab (TT96B) Sen-nefer's.
Die Kinder
Sowie bei Senet-nai / Senet-nofret gibt es auch bei einer der Töchtern zwei Namen. Mut-tui / Mut-nofret sind laut S. Hodel-Hoenes9 ident. Neben Mut-tui war Nefertari die zweite Tochter. Nach den Darstellungen im Grab von Sen-nefer zu schließen, verstarb Nefertari schon in jungen Jahren. Beide Töchter hatten den Titel "Sängerin des Amun" (smc jt nt Imn) inne.
Nach S. Whale7 und B. M. Bryans10 war Mut-tui mit Ken-amon, einem anderen als der Eheman von Amen-em-opet, verheiratet. Ken-amon war wie Sen-nefer "Bürgermeister der Stadt des südlichen Landes (Theben)" (h3ty-c n niwt rs[w]t). Möglicherweise war er sein Nachfolger. Seine Amtszeit dauerte von Amenophis II. bis zum Thutmosis IV.. Ken-amon wurde im, inzwischen leider verschollenen, Grab TT162 begraben. Alle Informationen die es zu den Grab gibt findet man bei W. Helck.
Die Enkeln
Im Grab von Sen-nefer wird auf einem der vier Mittelpfeiler ein "Sohn seiner Tochter" genannt. Das könnte, wenn man die oberen Annahmen weiterverfolgt, Djehuti-mes oder Amen-em-wia, die Söhne Ken-amuns und Mut-tui sein. Aber abgesehen von S. Whale und B. M. Bryans gibt es dazu keine weiteren Hinweis in der einschlägigen Literatur.
Literatur: [1] D. Laboury: "Sennefer et Aménémopé, Une Affaire de Famille", Égypte, Afrique & Orient #45, (2007), p.43-52; [2] W. Helck: Urkunde der 18. Dynastie 1418 - 1438 (1955 - 1958); [3] Porter & Moss: 1-2: "Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs and Paintings: Volume I, part 2: The Theban Necropolis: Royal Tombs and Smaller Cemeteries"; [4] E. Hannig & P. Vomberg "Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen" (Mainz 1998); [5] P. D. Manuelian: "Studies in the Reign of Amenophis II", Hildesheimer Ägyptologische Beiträge 26, Hildesheim 1987, p. 152; [6] S. Whale (Australian Centre for Egyptology): " THE FAMILY IN THE EIGHTEENTH DYNASTY OF EGYPT - A Study of the Representation of the Family in Private Tombs" CASE 62 (1989); [7] C. H. Roehrig "The Eighteenth Dynasty title royal nurse (mn't nswt), royal tutor (mn' nswt)"; [8] Thomas Schneider "Lexikon der Pharaonen" (2002) p.61; [9] Sigrid Hodel-Hoenes: "Life and Death in Ancient Egypt (Scenes from Private Tombs in New Kingdom Thebes)" Verlag Cornell University Press 2000; [10] B. M. Bryan: "Evidence for Female Literacy from Theban Tombs of the New Kingdom" (1985).
Weiterführende Literatur: Sen-nefer Die Grabkammer des Bürgermeisters von Theben (Verlag Philipp von Zabern 1986)
Danke an Elke Noppes bei ihrer Hilfe zu dieser Seite.