El-Charga
Hibis-Tempel
Im Zentrum der Oasenhauptstadt Hibis liegt am Ufer eines 750m langen Sees der Haupttempel der Oase Charga. Er war der traditionell engen Verbindung mit Theben gemäß ein Armin-Tempel. Der 19 x 44m große Bau ist der schönste Oasentempel. Er wurde wahrscheinlich in der Saitenzeit (Psammetich II.?) erbaut und unter Darius I. und II. (?) dekoriert. Er ist somit der älteste erhaltene Tempel von Charga. Die Front des Tempels bestand aus vier abgedrehten Papyrussäulen, deren Interkolumnien allerdings noch weitgehend verschlossen waren. Es handelt sich hierbei, wie beim Scheschonk-Tempel von Hibe, um einen frühen Vorläufer der ptolemäischen Pronaoi. Die hohen Schrankenwände und die niedrigen Säulen mit den schweren Glockenkapitellen verliehen der Tempelfront schwerfällig gedrungene Proportionen. Auf den Pronaos folgt ein größerer Säulensaal, der Opfertischraum mit dem Sanktuar und die umliegenden Nebenräume mit der Dachtreppe. Sie führt in ein ungewöhnlich reich ausgestaltetes System von Kulträumen im Obergeschoß. Da im Hauptsanktuar eine einzigartige Inventarliste von 700 Göttern dargestellt ist, könnte man annehmen, dass hier neben Amun noch andere Götter verehrt wurden. Neben diesem Sanktuar liegt eine Kapelle, die dem vergöttlichten König geweiht war.
Unter König Hakoris (29. Dynastie) wurde dem Tempelhaus statt dem zu erwartenden Säulenhof ein weiterer Säulensaal vorgelegt, dessen vorderste Säulenreihen sich auf einen schmalen Hof öffnen. Die neue Fassade wurde jedoch nicht mit einem Pylon abgeschlossen. Erst zwischen 378 und 341 v. Chr. umgaben Nektanebos I. und II. den Tempel mit einer hohen steinernen Umfassungsmauer, die an der Front in einen monumentalen Achtsäulenkiosk einband, wodurch der ältere Bau einen adäquaten monumentalen Auftakt erhielt. Wegen der großen Spannweiten (7,4m) konnte der Kiosk, wie auch die von Medinet Habu und Philae, nur mit Holzbalken gedeckt werden. Die Länge des Tempelhauses beträgt 62m, die Breite 27,4m. Der Tempel ist reich dekoriert. Neu im Bauschmuck eines ägyptischen Tempels sind die Lotus- und Papyrus-Kompositkapitelle des Kioskes. Sie dürften Vorbilder in spätzeitlichen Tempeln des Niltales gehabt haben. Vor dem Kiosk stand wohl ein Obeliskenpaar. Der Tempel besaß eine vom Kai am Seeufer heranführende Sphinx-Allee, die durch drei Umwallungen mit entsprechenden Toren, wahrscheinlich aus der Ptolemäerzeit, hindurchführte. Auf den Türrahmen der ersten beiden Tore stehen für die Verwaltungsgeschichte des Römerreiches wichtige Edikte aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. (Gnaeus Vergilius Capito [49 n. Chr.], Lucius Julius Vestinus [60 n. Chr.] und Tiberius Julius Alexander [68 n. Chr.]). Das steigende Grundwasser hat die Tempelfundamente so sehr geschwächt, dass derzeit nur starke Holzverstrebungen die berstenden Tempelwände aufrecht halten. Eine Verlagerung des Tempels ist vorgesehen.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 153-156; Herbert E. Winlock, The Temple of Hibis in El Khargeh Oasis (New York 1941); S. Sauneron, Quelques sanctuaires egyptiens des Oasis de Dakhleh et de Khargeh. Notes de Voyage, in: Cahiers d'Histoire Egyptienne 7 (1955) 282-284; E. Cruz-Uribe, The Hihis Temple Praject 1984-85 Field Season, Preliminary Report, in: JARCE 23 (1986) 157-166; idem. Hibis Temple Project: Preliminary Report, 1985-1986 and Summer 1986 Field Seasons, in: Varia Aegyptiaca 3 (1987) 215-230.
Qasr el-Ghueda
Einsam auf einem Hügel liegt, von einer mächtigen, schon aus der Ferne sichtbaren Befestigung umgeben, der Amun-Tempel Qasr el-Ghueda. Der älteste Teil, der in die 25. Dynastie zurückgehen könnte, bestand aus einem Viersäulensaal mit je zwei gleichen, besonders schönen Kompositkapitellen, dem Opfertischraum, von dem aus eine Treppe auf das Dach führt, und aus drei parallel gelegenen Sanktuaren für die thebanische Triade. Wahrscheinlich unter Ptolemäus III. Euergetes I. wurde ein Pronaos mit zwei Säulen zwischen den Schrankwänden dem Tempel vorgelegt Südlich vor dem Tempelhaus ist die Fassade eines weiteren, wahrscheinlich zu einem Mammisi gehörenden Gebäudes sichtbar. Vor dem Tor befindet sich eine den Kaianlagen des Niltales nachgestaltete Einrichtung, die natürlich in der Wüst. keine Verbindung zum Wasser hatte. Das Tempelhaus ist 10,4 x 25,53m groß. Der Tempel folgt zeitlich dem Hibis-Tempel und geht den römischen Tempeln von Deir el-Hagar, Qasr Dusch. Qasr ez-Zaijan und Nadura voran.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 156; Rudolf Naumann, Bauwerke der Oase Khargeh, in: MDAIK 8 (1939) 4-7; S. Sauneron, Notes de Voyage 286-289.
Qasr Ain ez-Zaijan
Der 7,22 x 13,56m große Tempel steht in einer gut erhaltenen Lehmziegelumwallung von 26 x 68m, deren Fassade eine Art Pylon bildete. Laut einer griechischen Inschrift auf dem Türsturz des Tempelhauses vom 12. August 140 n. Chr. wurde der dem Amun von Hibis geweihte Bau unter Antoninus Pius erneuert. Erbaut dürfte die Anlage schon unter den Ptolemäern sein. Allerdings vermisst man den für diese Zeit typischen Säulenpronaos. Stattdessen findet man dem Tempelhaus eine 22m lange aus Ziegeln errichtete Vorhalle vorgelagert, die auch an den Tempeln Ed-Deir und Qasr Dusch zu beobachten ist. Das Tempelhaus umfasst einen Säulensaal, Opfertischraum mit einer Kultbildnische in der Rückwand. In den wenigen Darstellungen des Säulensaales tritt Antoninus Pius auf. Der Tempel ist noch nicht genauer untersucht.
[Abb. O53] Aufnahme des Tempel Qasr Ain ez-Zaijan
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 157; R. Naumann, Bauwerke der Oase Khargeh, in: MDAIK 8 (1939) 8-10; S. Sauncron, Notes de Voyage 290/91.
Nadura
Auf einer Anhöhe südöstlich des Hibis-Tempels steht die Ruine eines kleinen Tempels aus der Zeit Hadrians und des Antoninus Pius. Erhalten sind noch dekorierte Wände eines Pronaos mit einer 4-Säulen-Front und Teile des Naos.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 157; R. Naumann, Bauwerke der Oase Khargeh, in: MDAIK 8 (1939) II.
Qasr Dusch
Auf der luftigen Anhöhe des Teil Dusch am Südende der Oase Charga erhebt sich der eindrucksvolle Ruinenkomplex der römischen Tempelfestung Qasr Dusch, des antiken Kysis. Das Innere des Areals ist so dicht mit Kasernen usw. bebaut, dass der eigentliche Tempel völlig eingemauert erscheint. Er war, wider alles Erwarten, nicht Amun, sondern Isis, Serapis und Horus geweiht. Das 7,55 x 15,32m große Tempelhaus verfügt über einen Säulensaal mit vier schlanken Säulen, eine Dachtreppe, einen Opfertischraum und ein Sanktuar. Letztere sowie zwei längliche Seitenräume sind mit einer Tonne überwölbt. An der Front wurde nachträglich ein das Tempelhaus überragender Pronaos angefügt. Der dem Tempel vorgelagerte Pylon mit einem monumentalen Steintor trägt eine griechische Inschrift vom 24. Mai 116 n. Chr. Nördlich vor dem Tor liegt ein großer Vorhof mit einem Pylon an der Nordfront. Der Tempel wurde unter Domitian in ein bereits bestehendes Kastell eingebaut, unter Hadrian fertig gestellt und unter Trajan
dem Vorhof versehen.
Weiter westlich auf der gleichen Anhöhe liegen die Ruinen eines zweiten, vollständig aus Ziegeln errichteten Tempels.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 158; R. Naumann, Bauwerke der Oase Khargeh, in: MDAIK 8 (1939) 6-8; S. Sauneron, Notes de Voyage 291-294; idem, Donch-Rapponpreliminaire de la campagne defouilles 1976, in: BIFAO 78 (1978) 5-10.
Ed-Deir
Etwa 1,5km nördlich des Kastells von Ed-Deir liegen die wohlerhaltenen Ruinen eines vollständig aus Ziegeln erbauten Tempels, der wahrscheinlich erst aus dem 2./3. Jahrhundert n. Chr. stammt. Der Plan des Tempels ist - wie der des Nebentempels von Qasr Dusch - von ungewöhnlich lang gestreckter Form. Eine lange Vorhalle mit seitlichen Sitzbänken ist dem eigentlichen Bau vorgelagert. Die Vorhalle und der erste Raum des Tempels, der einem Säulensaal entsprechen dürfte, waren wohl flach gedeckt. Die beiden innersten Räume dagegen, der Opfertischraum und das Sanktuar, waren überwölbt. Die gesamte Anlage ist 5,25m breit und 28m lang.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 158; R. Naumann, Bauwerke der Oase Khargeh, in: MDAIK 8 (1939) 15/16.
Ain Amur
In einsamer Lage am äußersten Nordrand der Oase befindet sich bei der Wasserstelle Ain Amur ein kleiner, wohlerhaltener, aber unfertiger Amun-Tempel aus der Römerzeit. Er steht inmitten einer 80 x 90m großen Ziegelumfassung, die auch die Quelle mit einschließt.
Literatur: D. Arnold, Die Tempel Ägyptens (Augsburg 1996), Seite: 158; Herbert E. Winlock, Ed Dakhleh Oasis. Journal of a Camel Trip Made in 1908 (New York 1936) 47-50.