Siwa

Hieroglyphe
[Abb. O10] Pendj

Tempelberg
[Abb. O11] Blick auf den Tempelberg von Aghurmi mit dem berühmten Ammoneion

Allgemeines

Im äußersten Nordwesten des ägyptischen Staatsgebiets, unweit der Grenze zu Libyen, senkt sich das Becken der Oase Siwa ca. 24m tief unter den Meeresspiegel in die umgebende, hier im Schnitt 200m über den Meer gelegene, Libysche Wüste ein. Die Depression ist annähernd keilförmig mit einer stumpfen, rund 9km breiten "Spitze" im Westen und einer maximalen Nord-Süd-Ausdehnung in ihrem Ostteil von 28km. Die Strecke vom östlichen zum westlichen Ende beträgt dabei etwa 82km. Von der somit rund 300km2 großen Oasensenke sind nur rund 4km2 Kulturland mit mehreren Hundert Brunnen, von denen die größeren zur Bewässerung der Dattel- und Olivenhaine sowie der Gärten mit Orangenbäumen, Weinstöcken und kleinen Weizenfeldern genutzt werden. Neben mehreren Salzsümpfen erstrecken sich in der Oasensenke auch zwei Salzseen: der Birket Siwa und der Birket Aghurmi.
Bis vor wenigen Jahren konnte die Oase nur mit Genehmigung durch die Militärbehörden ersucht werden. Inzwischen sind diese Genehmigungen nicht mehr nötig. In der Oase bieten einige einfache Hotels und ein staatliches Rasthaus Unterkunftsmöglichkeiten an.

Geschichte

Obwohl es Vermutung gibt, dass es spätestens im Neuen Reich engere Kontakte zwischen dem Niltal und Siwa gegeben habe und dass auch in dieser Zeit der pharaonische Amun-Kult in die Oase gelangt sei, kann die Anwesenheit der Ägypter in Siwa bislang nicht vor die 26. Dynastie, die Saitenzeit, nachgewiesen werden. Richard Lepsius äußerte aber die Vermutung, dass die Eroberung der Oase Siwa, die stets eher zu Libyen als zu Ägypten zugehörig galt, vom Niltal aus bereits während der 25. Dynastie erfolgt sein könnte, als die nubischen Kuschiten über Ägypten herrschten. Da vor allem unter Pharao Taharqa Aktivitäten in den übrigen Oasen belegt sind, lag es für Lepsius nahe, ihm auch die Einverleibung Siwas ins ägyptisch-nubische Großreich und die Gründung des Ammon-Orakels zuzuschreiben. Archäologisch gibt es aber für eine Anwesenheit der 25. Dynastie in Siwa noch keine Beweise. Ältestes sicher datierbares Relikt in Siwa ist der unter dem saitischen Pharao Amasis (570-526 v. Chr.) errichtete Tempel von Aghurmi, das Ammoneion, Sitz des berühmten Orakels. Dennoch war die Oase bereits früher bewohnt, und zwar von einer libyschen Bevölkerungsgruppe. Der Ortsname "Siwa" ist unägyptisch und wohl libyscher Abkunft.
Der von dieser vorägyptischen "Urbevölkerung" verehrte Lokalgott dürfte eine Quellgottheit gewesen sein, die nach der pharaonischen Okkupation, als die Oase zumeist Tscha (T3) oder Tschai (T3jj) hieß, rasch durch Amun/Ammon verdrängt wurde. Allerdings gibt die Oasenliste im Tempel von Edfu nicht den erwartenden Amun, sondern den von Isis dorthin gebrachten Horus als Hauptgott der siebten Oase an, die mit Siwa identifiziert wird. Der in Edfu genannte Oasenname ist stark zerstört; er dürfte Penta (Pnt3) oder Pentj (Pndj) [Abb. O10] gelautet haben.
Eine Gründungslegende des Orakels wird durch Herodot überliefert. Wie ihm Priesterinnen im griechischen Dodona berichteten, soll sowohl deren Orakel als auch das von Siwa durch die Ankunft je einer schwarzen, sprechenden Taube initiiert worden sein, die beide gemeinsam vom ägyptischen Theben aus los geflogen waren. Von thebanischen Priestern will Herodot hingegen, als er vor Ort nach den Wurzeln der Geschichte forschte, erfahren haben, dass einst zwei Amun-Priesterinnen von Phöniziern geraubt und nach Libyen und Griechenland verschleppt worden seien, wo sie jeweils die Orakelkulte begründet haben sollen. Bereits Herodot versucht, aus den beiden vermeintlich widersprüchlichen Überlieferungen den gemeinsamen historischen Kern herauszuarbeiten. Durch Herodot sind uns auch die Art einige der Anfragen an das Orakel bekannt geworden. Nach Berichten des selben antike Autor, endete das Vorhaben des Perserkönigs Kambyses (525-522 v. Chr.), die Oase vom Niltal aus zu erobern, in einem Desaster, alle seiner Soldaten kamen in einem Sandsturm um. Bis heute wurde der Ort des Dramas trotz verschiedener Versuche nicht gefunden. In der Spätzeit konnte Siwa, da die Kräfte der Regenten im Niltal aufgrund der Bedrohung durch die Perser gebunden waren, eine gewissen Selbständigkeit behaupten. Hinweise dafür ist einerseits das  Hakoris (Achoris), der in Mendes im Nildelta residierende dritte König der 29. Dynastie (392-380 v. Chr.) durch Seth-irdis (Sth-jr-dj-s), den in Hieroglyphentexten als "Fürst der Fremdlandbewohner" (wr hßstjw) bezeichneten Lokaldynasten von Siwa, gleichrangig mit dem Pharao opfernd vor die Götter tritt bzw. ein anderer Machthaber in Siwa ein, der "Große Fürst der Fremdländer" (wr '3 hßswt) Wen-amun, der sich auf einer der Opferszenen an der Tempelwand von Umm Ubaida sogar als "Geliebter Sohn des Amun-Re" bezeichnet. Auch in der Ptolemäerzeit führte Siwa ein weitgehend selbständiges Dasein. Im Frühjahr kam es im Frühjahr 331. zur denkwürdigen Befragung des Amon-Orakels durch Alexander des Großen (Alexander III.) und in Folge zur Inthronisation als Pharao (siehe auch die Seite von Alexander dem Großen).

Frühe Reisende

Vor allem wegen der Schilderung des Ammon-Orakels in den antiken Quellen hat Siwa, das in islamischer Zeit bei den Einheimischen bis in die jüngere Vergangenheit den Namen Santariya trug, in besonderem Maße Faszination auf frühe Ägypten reisende ausgeübt. Als Wiederentdecker der Oase in der Neuzeit gilt der Engländer William George Browne (1768-1813), der sie 1792 erreichte. Auf Es folgte wenig später der Hildesheimer Pastorensohn Friedrich Konrad Hornemann (1772-1801). Die aus ihren Aufenthalten in den anderen Oasen bekannten Abenteuer- und Forschungsreisenden gelangten teils ebenfalls nach Siwa, so 1819 Frederic Cailliaud und der damalige französische Generalkonsul in Ägypten, R. Drovetti. Im November desselben Jahres besuchte der deutsche Konsul Heinrich Freiherr von Minutoli mit mehreren Begleitern die Oase. Der Forschungsaufenthalt dieser Gruppe ist von besonderem Interesse, da man trotz eines nur einwöchigen Aufenthalts eine Reihe von alten Bauten dokumentierte, die heute entweder völlig verschwunden sind oder sich zumindest in erheblich schlechterem Erhaltungszustand präsentieren, wie z. B. der Tempel von Umm Ubaida, dessen Blöcke nach der Zerstörung 1897 rasch demontiert wurden. Erwähnenswert ist vielleicht noch der wenig bekannten Orientreisenden Hermann Burchardt (1857-1909). Von ihm liegen als ungehobenen Schatz im Berliner Völkerkundemuseum alten um 1880 in Siwa entstandenen historischen Schwarzweiß Aufnahmen. Ansonst sind noch einige erfolgreiche und weniger erfolgreiche Reisen nach Siwa bekannt. Wie auch in den anderen Oasen schlummern auch hier unter dem Sand noch interessante Dinge die es zu entdecken bzw. wiederentdecken gibt.

Literatur & Bilder: J. Willeitner, Die Ägyptischen Oasen (2003), Seite: 114-125